Denkwerkstatt 2020 empfiehlt Innovation kontra Strukturschwäche in M-V

PressemeldungenHelmut Holter

Rund 30 Gäste aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Kultur haben am Freitag auf Einladung des Vorsitzenden der Linksfraktion, Helmut Holter, an der diesjährigen Denkwerkstatt 2020 im Technologiezentrum Rostock-Warnemünde teilgenommen. Die Tagung stand unter dem Motto „MV 2020 – Innovation kontra Strukturschwäche“ und setzte eine Diskussionsreihe fort, die zum Ziel hat, ein Leitbild für Mecklenburg-Vorpommern zu entwickeln.

„Bei dem parteiübergreifenden Gedankenaustausch zu Zukunft und Perspektiven für das Land wurde deutlich, dass Mecklenburg-Vorpommern für eine erfolgreiche und nachhaltige Entwicklung einen Innovationsschub braucht, um der Strukturschwäche begegnen zu können“, erklärte Holter am Sonnabend. Einig waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Denkwerkstatt in der Einschätzung, dass Mecklenburg-Vorpommern ausreichend Potenziale für eine solche positive Entwicklung hat. Diese wurden insbesondere in den Bereichen Hightech und>, Gesundheitswirtschaft und Energiewende gesehen.

„Ein Maßstab bei der Bewertung des anstehenden Doppelhaushalts wird die Frage sein, ob Bildung und Forschung als zwei grundlegende Faktoren für Innovation angemessen berücksichtigt sind – denn dafür muss Politik die Rahmenbedingungen gestalten“, sagte Holter. Der Rektor der Hochschule Neubrandenburg, Prof. Dr. Micha Teuscher, wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Innovation Freiräume braucht, weil technischer und wirtschaftlicher Erfolg nicht planbar seien. „Innovation darf nicht allein der Marktentwicklung überlassen bleiben, Politik kann andererseits Innovation nicht selbst entwickeln oder verwerten“, so Teuscher. „Politische und Marktmechanismen müssen ineinander greifen für eine wirtschaftlich längerfristig ausgerichtete und gesellschaftlich vorteilhafte Innovationsförderung“, sagte er.

Prof.  Dr. Ing. Norbert Stoll, Vizepräsident des Center for Life Science Automation,  CELISCA, unterstrich in seinem Redebeitrag, dass Wertschöpfung in einem industriellen Prozess stattfinden muss. „Hightechindustrie kann diese Aufgabe leisten, kann Arbeitsplätze schaffen“, sagte er. Technik vernichte nicht Arbeitsplätze, sondern mache sie effizienter. „Gerade ein rohstoffarmes Land wie Mecklenburg-Vorpommern muss diesen Bereich konsequent vorantreiben, sonst machen es andere“, betonte Stoll. 

Um Mecklenburg-Vorpommern von einer überwiegend agrarstrukturierten zu einer Hightech-Region zu entwickeln sind nach Auffassung der Präsidentin von CELISCA, Prof. Dr. Ing. Kerstin Thurow, insbesondere drei Voraussetzungen zu erfüllen: Mit dem Ziel Stärken zu stärken dürfe die Förderung nicht nach dem Gießkannenprinzip erfolgen. „Erforderlich ist die Konzentration auf wenige, dafür erfolgversprechende Themen“, sagte Frau Thurow. Daneben bräuchte die Forschung Unterstützung, ihre Produkte erfolgreich auf dem Markt zu etablieren, verknüpft mit einer langfristigen Strategie. „Eine klare strategische Ausrichtung und ein ganzheitlicher Ansatz, beginnend mit Forschung und Entwicklung, einer Überführungsphase bis hin zur Produktionsphase sind der Schlüssel zum Erfolg“, betonte Frau Thurow. Mit dieser Ausrichtung sei die Universität Rostock sehr erfolgreich gewesen und habe mit der Ausgründung von innovativen, zukunftsfähigen Firmen attraktive Arbeitsplätze geschaffen.

Nach Ansicht von Dr. Rainer Land, Vorstandsvorsitzender des Thünen-Instituts für Regionalentwicklung e.V, liegen die Chancen, neue Entwicklungspfade zu finden, insbesondere in einer Energiewende. „Wirtschaftliche Entwicklung vollzieht sich durch Innovation, wir brauchen neue Richtungen, um aus der Deindustrialisierungsfalle herauszukommen“, sagte er. Erforderlich sei, die Energieeffizienz zu erhöhen, die Umstellung auf regenerative Energien vorzunehmen, sowie die Menschen im Umgang mit Rohstoffen dafür zu sensibilisieren und deren Akzeptanz zu erhöhen. „In der Umstellung auf die verstärkte Nutzung regenerativer Energien liegt der größte Spielraum für Wachstum und Produktivitätsentwicklung“, so Land. Es müsse ein Zentrum für Grüne Berufe aufgebaut werden, mit Ausbildungs- und Arbeitsplätzen in diesem Bereich.

Die Vorstandsvorsitzende des Arbeitslosenverbandes Deutschland, Bundesverband, Marion Drögsler, kritisierte, dass in der Diskussion die vielen Menschen, die keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt hätten, oft vergessen werden. „Auch in Mecklenburg-Vorpommern wird die Zahl der Menschen zunehmen, deren Qualifikation nicht mehr gebraucht wird, die ihrer Möglichkeiten und ihrer Würde mit Hartz IV beraubt werden“, sagte Frau Drögsler. Sie plädierte für eine verstärkte Kooperation von wirtschaftlichen Unternehmen mit sozialen Vereinen und Verbänden. „Gerade auch das Soziale braucht Dienstleistungen, beispielsweise in den Bereichen Qualifizierung und Schuldnerberatung“, so Frau Drögsler. Als unverantwortlich bezeichnete sie die ersatzlose Streichung des Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklungsprogramms durch die Große Koalition in Schwerin. „Die Landesregierung hat die Menschen, die in den geförderten Projekten gearbeitet haben, einfach abgeschrieben“, kritisierte Frau Drögsler.

Auch nach Auffassung von Holter muss Innovation einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen. „Sicherlich hat Innovation viel mit Technik und neuen Produkten zu tun, das Soziale und Ökologische muss aber gleichrangig neben dem Ökonomischen beachtet werden“, so Holter. „Insgesamt hat die Tagung erneut gezeigt, dass Mecklenburg-Vorpommern vor der Frage steht, entweder dauerhaft abgekoppelt zu werden, den Westen weiter zu kopieren oder selbstbewusst den Weg einer innovativen Entwicklung zu beschreiten.“