NSU-Aufarbeitung im Schatten der Pogrome von Rostock-Lichtenhagen

Zur heutigen Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) zur Aufklärung der Aktivitäten des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) in Mecklenburg-Vorpommern erklärt der Obmann der Linksfraktion, Peter Ritter:

„In diesen Tagen jährt sich das rassistische Pogrom von Rostock-Lichtenhagen zum 27. Mal. In den Augusttagen 1992 wurde deutlich, dass rechter Terror auch in Mecklenburg-Vorpommern zur bitteren Realität gehört. Aufgepeitscht durch den Applaus tausender ‚Schaulustiger‘ und toleriert durch die Untätigkeit der Polizei zündeten Neonazis das Sonnenblumenhaus im Rostocker Nordwesten an, in dem sich zahlreiche Menschen befanden. Das Pogrom von Rostock war ein Schlüsselmoment für die militante Neonazi-Szene. In dieser Zeit wurden die Mitglieder und Unterstützer des NSU-Netzwerkes sozialisiert. In dieser Zeit erfuhren die späteren Rechtsterroristen, dass die ungehemmte Gewalt auf der Straße durch die Politik honoriert wird. Knapp ein Jahr nach den rassistischen Ausschreitungen schaffte die Bundesregierung mit den Stimmen der SPD das Recht auf Asyl de facto ab.

Für den PUA beginnt mit dem Pogrom von Rostock-Lichtenhagen die Untersuchungsarbeit zur staatlichen Mitverantwortung an rechten Gewaltexzessen, die in den Morden des NSU gipfelten. Der kommunal verwaltete Jugendclub MAX im Stadtteil Groß-Klein spielt dabei eine besonders unrühmliche Rolle. Von hier aus wurden bereits 1992 Jugendliche zum Sonnenblumenhaus mobilisiert. Hier wurden rechte Umtriebe unter den Augen der Sozialarbeiter soweit geduldet, dass sich der Club als Treffpunkt der Mecklenburger ‚Blood & Honour‘-Sektion etablierte. Wer an Rostock-Lichtenhagen erinnert, muss also auch die Aufklärungsarbeit im NSU-PUA ernsthaft betreiben.

Unseren Anträgen folgend hat der Ausschuss in der heutigen Sitzung eine Vielzahl an Zeugenladungen beschlossen. Wir werden aller Voraussicht nach schon im September damit beginnen, Polizeibeamte zu vernehmen, die am 25. Februar 2004 am Tatort eingesetzt waren und die ersten Ermittlungsschritte einleiteten. Der Ausschuss wird aber auch jene Ermittler befragen, die die Untersuchungen zum Mord an Mehmet Turgut bis zur Selbstenttarnung des NSU im November 2011 leiteten. Mit den Zeugenvernehmungen tauchen wir endlich in den eigentlichen Kernbereich unserer Arbeit ein.

Der Ausschuss hat zudem beschlossen, weitere Akten beizuziehen, um sich eine entsprechende Grundlage für künftige Untersuchungen aufzubauen. So verlangen wir die Unterlagen aus dem hiesigen Innenministerium zu einer möglichen V-Person. Diese könnten Aufschluss darüber geben, was der Verfassungsschutz über den Aufenthaltsort des NSU-Kerntrios wusste – noch bevor die ersten Morde stattfanden. Wir erwarten in diesem Zusammenhang auch ein Umdenken im Innenministerium. Anstatt Akten über alle Maßen zu schwärzen oder sie dem Ausschuss ganz vorzuenthalten, sollte es auch im Interesse des Geheimdienstes sein, die Beweisbeschlüsse des PUA vollumfänglich zu erfüllen.“