Unpolitische Impressionen eines politischen Ereignisses - Online Kreistag am 15. März

Dr. Michael Harcks

Weit gefehlt! Die Pandemie, die uns nunmehr seit über einem Jahr fest im Griff hat, bringt es mit sich, dass alle Lebensbereiche eine gravierende Änderung erfahren, so auch die Arbeit der Kommunalvertretungen, sei es in den Gemeinden oder wie hier im Landkreis.

Der Kreistag Vorpommern-Greifswald hatte sich unlängst mehrheitlich dazu entschlossen, aus unterschiedlichen Gründen die kommenden Sitzungen, soweit die Einschränkungen gelten, als Online- Videokonferenzen durchzuführen.

Damit waren wir der erste Landkreis in Mecklenburg-Vorpommern, der diese Variante ausprobierte. Als diese Entscheidung, also Abstimmung dazu stattfand, waren wir wohl nicht in der Lage, ich zumindest will das nicht von mir behaupten, genau zu wissen, warum wir diese oder jene Variante bevorzugten. Wir haben hier Neuland betreten und niemand konnte die Fülle der damit einhergehenden Probleme in ihrer Komplexität von vornherein überschauen.

Die auf uns zukommenden Probleme lassen sich aus meiner Sicht in 5 Kategorien einteilen:

Erstens brauchten wir eine Software, die in der Lage ist, den spezifischen Anforderungen einer Kreistagssitzung gerecht zu werden. Es ist erforderlich, dass 69 Kreistagsmitglieder gleichermaßen in der Lage sind, das Geschehen zu verfolgen, sich in die Diskussion einzubringen, Anträge zu stellen und abzustimmen. Was das bedeutet, kann nur jemand ermessen, der schon einmal aktiv oder zumindest passiv daran teilgenommen hat.

Im Weiteren bedarf es zwischen den Kreistagsmitgliedern untereinander und zur Kreisverwaltung, also der Zentrale, wo das Präsidium die Sitzung leitet, einer ausreichenden Anbindung ans Internet, nicht nur von A nach B, sondern von jedem Einzelnen zu jedem anderen. Wir befinden uns hier im ländlichen Raum, das sagt leider viel über die Qualität dieser Verbindung aus.

Drittens müssen alle Teilnehmer:innen an dieser Sitzung über solche Endgeräte verfügen, also PC, Laptops, Tablets, notfalls auch Smartphones, die über schnelle Prozessoren und große Arbeitsspeicher verfügen, damit die Menge der übertragenen Daten auch am eigenen Endgerät in der erforderlichen Geschwindigkeit verarbeitet wird, um das Geschehen optisch und akustisch so abzubilden. Damit derjenige, der vor dem Bildschirm sitzt, alles störungsfrei verfolgen und auch eingreifen kann.

Das vierte Problem sind die Akteure selbst. Das ist im Einzelfall sehr zu differenzieren. Je nachdem wie die Lebens- und Arbeitsumstände der Einzelnen sich gestalten (das ist weniger eine Frage des Alters, als manche glauben), hat die/der eine oder andere mehr oder weniger Schwierigkeiten, sich darauf einzustellen. Diejenigen, die beruflich mit dieser Technik umgehen, sind da geübt, anderen hingegen fällt die Umstellung von heute auf morgen schwer. Letztere jedoch dürfen durch dieses Verfahren verständlicherweise in der Auswirkung ihres Mandats nicht beeinträchtigt sein.

Ein letztes Problem, das, wie sich zeigte, zunächst offensichtlich unterbewertet wurde, ist die Notwendigkeit, die Öffentlichkeit an dem Geschehen teilhaben zu lassen. Jedes Kreistagsmitglied hat einen Anspruch darauf nicht nur mit seiner Meinung gehört, sondern auch mit seinem Abstimmungsverhalten deutlich wahrgenommen zu werden. Das stellte sich als schwieriger heraus als zunächst angenommen.

Zu jedem dieser 5 Kategorien könnte ich umfangreich erläutern, wie sich die Umsetzung gestaltete, mit welchen Einzelfragen wir konfrontiert wurden und wie die dann mehr oder weniger gelungenen Lösungen aussahen und der Praxis standhielten. Das würde den Rahmen deutlich sprengen.

Ich will beim letzten Punkt anknüpfen. So wie die technische Umsetzung sich letztlich darstellte, das zeigte sich in der Generalprobe am Freitag zuvor, konnten die einzelnen Kreistagsmitglieder gut verfolgen, wie ihre Kolleg:innen abstimmten. Der Öffentlichkeit hingegen blieb dies verborgen.

Das führte folgerichtig zum AfD-Antrag, jede einzelne Abstimmung im öffentlichen Teil namentlich durchzuführen, was ebenso gut aus jeder anderen Fraktion hätte kommen können, machte es doch einen wesentlichen Mangel dieser komplexen technischen Lösung deutlich.

Die Konsequenz daraus war, dass bei ca. 30 Abstimmungen 69 Namen in alphabetischer Reihenfolge verlesen wurden. Jeder Aufgerufene musste nun sein Mikrofon zuschalten, sein Votum abgegeben und danach sein Mikrofon wieder ausschalten. Dann kam der Nächste ran. Ich habe ein paar Mal die Zeit gestoppt, ich hatte ja nichts weiter zu tun derweil. Der durchschnittliche Wert lag bei gut 5 Minuten für jeden einzelnen Abstimmungsvorgang. Wenn wir nun in Rechnung stellen, dass eine Auszählung unter normalen Bedingungen bis zu einer Minute dauern kann, mitunter geht das wesentlich schneller, dann kann man grob geschätzt als zeitlichen Mehraufwand bei dieser Sitzung mindestens 2 Stunden, eher mehr, veranschlagen. Es ist also wesentlich diesem Umstand zu verdanken, dass die Sitzung von 16 bis 22 Uhr dauerte.

Die Tagesordnung selbst war nicht so außergewöhnlich. Dass wir uns in Streitthemen festhaken, kommt regelmäßig vor. Unsere hinlänglich bekannten Vielredner:innen ließen sich durch den hohen Technisierungsgrad der Veranstaltung hingegen nicht abschrecken und schöpften ihre Möglichkeiten zur öffentlichen Darstellung in gewohnter Weise aus.